Die Eröffnung






Fotos: Sebastian Isacu

Aus dem Grußwort von Dr. Sara Burkhardt
Jun.-Prof. für Kunst und ihre Didaktik mit dem Schwerpunkt Neue Medien an der TU Dresden sowie Mitglied des Leitungsteams „kiss – Kultur in Schule und Studium“

„Liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Familien und Freunde der Ausstellenden, liebe Lehrerinnen und Lehrer, lieber Gerald Nestler, lieber Robert Hausmann und lieber Matthias Laabs, liebe Gäste,

[…] ‚Ausstellung?‘ werden Sie sich fragen – ‚…was ist denn das für eine seltsame Ausstellung?‘ Keine Bilderrahmen, keine kleinen Namensschilder, keine Erläuterungen… diese Ausstellung ist etwas anders. Sie zeigt den Arbeitsprozess einer Woche, von Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Schulen, initiiert von den beiden Kunstpädagogikstudenten und kiss-Stipendiaten Robert Hausmann und Matthias Laabs.
Die Schüler haben ihre Schulen verlassen und sich in eine neue und fremdartige Situation begeben, an einen ungewohnten Ort, mit ihnen unbekannten Lehrern. Das ist schon mal eine ziemliche Anforderung. Wenn Sie sich dann noch das ‚Briefing‘ ansehen, das die Schüler am Anfang der Woche vorgelegt bekamen, mag schnell der Gedanke an ‚Überforderung‘ bei Ihnen aufkommen – ‚Was ist ein System?‘ steht dort, ‚Ist das Hacking, was wir machen?‘ ‚Was passiert, wenn wir etwas im System verändern?‘ ‚Was passiert, wenn wir systemfremde Daten in ein System einschleusen und damit experimentieren?‘ ‚Welche Codes findet ihr in diesen Systemen?‘
Ganz schön schwierige Fragen.
Aber gerade diese Überforderung scheint immer wieder ein Aspekt von kiss zu sein – und damit von Kunstunterricht, der sich mit aktueller Kunst und Medienkultur auseinandersetzt. […]

Hier probieren Studierende der Kunstpädagogik mit Schülerinnen und Schülern etwas aus. Sie praktizieren und haben dabei die Möglichkeit und vor allem den Raum, zu experimentieren. Sie erproben Neues, auch für sie selbst Neues, vielleicht zunächst ungewohnt Anmutendes. Ähnlich arbeiten die Schüler. Sie haben sich hier – allen Widrigkeiten zum Trotz – einen Raum erobert, sind in Strukturen eingedrungen – sei es im Stadtraum oder im Netz – und haben sie verändert. So haben sie sich Kultur angeeignet, indem sie sich zunächst dem Beobachteten angeglichen haben und dann leichte Verschiebungen vorgenommen haben, Perspektivwechsel, Unterwanderungen. Wenn Sie diese Denk- und Handlungsweisen weiterentwickeln und übertragen können, im Unterricht und im Alltag, dann hat sich die Überforderung gelohnt.

Und es sei noch angemerkt: Diese Ausstellung ist eine Aufforderung.
Blättern Sie in Büchern, sehen Sie Filme, lesen Sie Texte, erkunden Sie Prozesse und Strukturen, reden Sie mit den Schülerinnen und Schülern, den Studierenden, dem Künstler. Verstehen Sie die Systeme und ihre Codierungen wie auch die Schnittstellen, die die Schüler untersucht haben. Denken Sie quer, wechseln Sie Perspektiven und machen Sie mit – oder genießen Sie einfach den sichtbar gewordenen Rausch der Produktivität. […]“


Foto: Sebastian Isacu

by Projektleitung: Matthias Laabs und Robert Hausmann
18 Schülerinnen und Schüler aus drei Dresdner Schulen führten in dieser Woche gemeinsam ein schulübergreifendes Kunst- und Medienprojekt durch. Der Titel „Processing“, der in der Informatik die Verarbeitung von Daten bezeichnet, spiegelt bereits einen der wichtigsten Schritte dieses Projekts. Denn Verarbeitung meint ja: Erkennen, Aneignen, Ordnen aber vor allem auch Umstrukturieren. Genau das taten die Schülerinnen und Schüler in dieser Woche. Sie untersuchten Systeme, Abläufe, Prozesse und setzten den gezielten Cut, suchten Schnittstellen, das Marginale. Die Gruppe LUEXJO twitterte zu Beginn des Projekts nach einer Untersuchung im Stadtraum: „Anfang und Ende! Und wo ist hier der Weg?“ Dieser Tweet war wegweisend, und die Schülerinnen und Schüler erkannten, das fixe oder feste Zielformulierungen diese Woche nicht erschütterten.
Sie kamen aus der Schule in die Schule. Denn das hier ist Schule, so kann, darf, muss und sollte sie auch ablaufen. Es entwickelten sich Freiräume, Experimentierfelder wurden eröffnet, eine Art Medienwerkstatt entstand und das Denken wurde nicht zur Hausaufgabe. Ganz im Gegenteil, die Schülerinnen und Schüler bekamen die Zeit, um ihre Problem- und Fragestellungen zu äußern, darüber Informationen zu sammeln, quer zu denken, zu reflektieren und sich auf diese Weise „Welt“ anzueignen. „Das Know Why […] hat hier besondere Bedeutung.“(Gerald Nestler) Eine Institution wurde damit durch sie selbst unterwandert. Gerade deswegen müsste Schule als ständige Baustelle betrachtet werden.

Der österreichische Künstler Gerald Nestler gab die Impulse für dieses Projekt, die von uns wiederum auf die Schülerinnen und Schüler übertragen wurden. Daraus entwickelte sich ein diffuses und glokales Netz aus verschiedenen Links und Verschränkungen, die es ständig im Auge zu behalten galt. Das förderte komplexes Denken.
Zusammen mit den Dresdner Schülerinnen und Schülern präsentiert auch Gerald Nestler eine Arbeit. Kollaborativ und beratend war er ihnen am letzten Projekttag zur Seite, gab Anregungen, fragte nach.

„In seinen Projekten bewegt sich Gerald Nestler im amorphen, sich permanent verändernden Überschneidungsraum zwischen Wirtschaft, Leben und Kunst. Seit vielen Jahren sucht Gerald Nestler die Wirtschaft als Leitparadigma unserer Zeit zu untersuchen, wobei er sich als Stockbroker oder Firmenmitbegründer auch kurzzeitig in das System einschleuste, um die Machtstrukturen und den abstrakten Umgang mit Mensch und Welt von innen zu erforschen. Er baut Rahmen, innerhalb derer er zusammen mit anderen KünstlerInnen, WirtschafterInnen, WissenschaftlerInnen oder Interessierten agiert. […]
Nestler infiltriert gleich einem Virus das System ob auf der CeBIT oder im Börsenhandel, indem er ungewohnte dissonante Informationen entgegen dem gerichteten Informationsfluss hinein- und wieder herausschleust.“ (Dieter Buchhart)

Zum Abschluss sprach Milena Michalek, Schülerin des Gymnasiums Dreikönigschule Dresden.


Foto: Sebastian Isacu

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